“Ich bin super schlecht darin, Small Talk zu führen.” Das war die erste Schwäche, die mir in den Kopf gekommen ist, als ich vor ein paar Jahren in einem Bewerbungsgespräch danach gefragt wurde. Mein Gegenüber erwiderte mir ein gar nicht mal so ironisch gemeintes “Das hab ich ja noch nie von einer Frau gehört.” (Einer von vielen Sprüchen in diesem Gespräch, die mich dazu brachten, die Praktikumsstelle abzulehnen – darum soll es hier aber gar nicht gehen.)
Diese Woche habe ich wieder an den netten Herrn und meine angeblich größte Schwäche gedacht. Und zwar als ich auf der Arbeit zum ersten Mal ein größeres Team-Meeting moderiert habe. Als Einleitung für unsere “Speed Dating”-Breakout-Sessions hatte ich meinen Kolleg:innen eine Anregung aus einem Podcast mitgebracht: “Wenn ihr nicht gut darin seid, Small-Talk zu führen, versucht einfach mal mit einem ehrlich gemeinten Kompliment einzusteigen.”
Meine Anmoderation führte in der Breakout-Session, in der ich gelandet war, nicht nur zu Komplimenten, sondern auch zu einer schönen Unterhaltung über das Introvertiert-Sein in der Arbeitswelt. Wir redeten über die Entkopplung von Introversion und Schüchternheit, die Vorteile von vielfältigen Charakteren in einem Unternehmen und die Möglichkeiten, die digitale Medien introvertierten Menschen bieten. Letzteres inspirierte mich zu diesem Beitrag.
Er ist nicht nur ein Plädoyer für mehr aufrichtige Komplimente, sondern auch ein Reminder, dass Introvertiert-Sein keine Schwäche ist, man an Schüchternheit arbeiten und Small Talk lernen kann.
Small Talk fällt mir persönlich leichter seit ich aufgehört habe, ihn grundsätzlich als „unnötig“ oder „Zeitverschwendung“ abzustempeln. Weniger, weil mir im Internet jeden Tag irgendein Business-Guru zu verstehen gibt, dass Gespräche auf dem Büroflur der Schlüssel zum Erfolg sind. Vielmehr, weil ich realisiert habe, dass sie immer das Potenzial bergen, Impulse zu setzen oder mitzunehmen und zwischenmenschliche Beziehungen nachhaltig zu stärken.
Meiner Meinung nach können sie dieses Potenzial aber nur entfalten, wenn man mit Ehrlichkeit an die Sache herangeht. Das betrifft zum einen die Fragen: Wenn ich mich bei jemandem erkundige, wie es ihm oder ihr geht, interessiere ich mich auch für die Antwort, wenn diese nicht „gut“ lautet. Zum anderen betrifft es aber auch die eigenen Antworten: Diese dürfen einen “verletzlich” machen, indem man auch mal erwähnt, was nicht so gut läuft, worüber man nachdenkt, was einen zweifeln lässt… oder eben auch, indem man offen darüber kommuniziert, dass einem Small Talk vielleicht gar nicht so leicht fällt. Es geht mehr Menschen so als wir denken.
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