Wie wir über’s Klima reden & reden sollten

Das einzig Positive, was ich dem diesjährigen Bericht des Weltklimarats (IPCC) entnehmen kann: Noch können wir handeln. Wir werden die größte Krise der Menschheit jedoch nicht aufhalten, indem wir unverpackte Tomaten kaufen und hin und wieder auf’s Auto verzichten. Wir brauchen eine strukturelle Transformation, gar Disruption, in den Bereichen Industrie, Verkehr, Energie, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Dies ist aber nur machbar, wenn alle Akteur*innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mitziehen. Dafür braucht es wiederum ein allgemeines Verständnis für die Dringlichkeit der Lage – und da sehe ich aktuell leider noch ein Problem: Die wissenschaftlichen Fakten über’s Klima liegen auf dem Tisch und dennoch sind wir uns nicht mal ansatzweise des Ausmaßes dieser Krise bewusst. Doch woran liegt das?

Für mich als Kommunikationswissenschaftlerin (Darf man sich so nennen, wenn man gerade mal einen Bachelor und einen halben Master hat?!) ist die Rolle der Sprache hier ein interessanter Aspekt. Ich bin davon überzeugt, dass die Tatsache, wie wir politisch, medial und gesellschaftlich über den Klimawandel reden, Einfluss darauf hat, wie wir mit ihm umgehen.

Also habe ich mich einfach mal hingesetzt, überlegt, was mich an der aktuellen Klimakommunikation so stört und vor mich hingetippt. Dabei herausgekommen ist ein 1.500 Wörter langer Rant über Framing, Unverhältnismäßigkeit und Verdrängungsstrategien – nicht wissenschaftlich fundiert, sondern beruhend auf subjektiven Beobachtungen und Empfindungen. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch die Zeit nehmt, es zu lesen und mir eure Meinung in den Kommentaren da lasst! ❤︎

Framing: Klimawandel oder Klimakrise?

„Framing“ ist ein Thema, um das man gar nicht drum rum kommt, wenn man sich auf sozialwissenschaftlicher Ebene mit Sprache beschäftigt. Es beschreibt den Effekt, dass unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft sich bei gleichem Inhalt unterschiedlich auf die Rezipient*innen auswirken. Ein klassisches Beispiel dafür ist, dass Menschen es als bedrohlicher empfinden, wenn man bei einer OP von „10% Sterberisiko“ spricht, als wenn man auf eine „Überlebenschance von 90%“ hinweist.

Wenn man sich mit dem Wissen den Begriff „Klimawandel“ anschaut, versteht man, wieso das nicht sonderlich bedrohlich auf uns wirkt. „Wandel“ deutet darauf hin, dass sich da etwas langsam vor sich hin verändert – die Gefahr und die Irreversibilität des Ganzen bleibt dabei völlig außen vor. Und trotzdem ist das der gängige Begriff, um zu beschreiben, was da gerade passiert.

Der Begriff „Klimakrise“ wird hingegen fast ausschließlich von Grünen und Aktivist*innen verwendet und ist im Sprachgebrauch der meisten Menschen wenig verankert. Verwendet man ihn, bekommt man manchmal sogar das Gefühl vermittelt, man würde übertreiben und absichtlich Panik verbreiten. Dabei ist es genau das: Eine Krise. Sonst dauert es bei größeren politischen Ereignissen keine 3 Tage bis jeder von einer „Krise“ spricht – Eurokrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise. Wieso verstecken wir die größte Krise hinter dem Begriff „Wandel“?

„Wir müssen das Klima retten“

Ein weiteres Beispiel dafür, wie wir die Wahrheit mit unserer Sprache verschleiern, ist der Satz, „wir müssen das Klima retten.“ Wir müssen nicht das Klima retten – dem Klima ist es herzlich egal, ob es 1.5, 2 oder 5 Grad wärmer wird – wir müssen UNS(ere Lebensgrundlage) retten.

„das 1.5-Grad-Ziel“

Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 haben 195 Länder sich dazu verpflichtet, die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius – im Idealfall 1.5 Grad – im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Mal ganz abgesehen davon, dass gerade alles danach aussieht, dass sich niemand an diese Abmachung hält, ist die mittlerweile gängige Formulierung „1.5-Grad-Ziel“ völlig falsch. „Ziel“ signalisiert uns, dass es sich dabei um etwas Gutes – um einen Erfolg – handelt. Es ist aber so, dass jedes Milligrad, um das sich die globale Temperatur erhört, negative Auswirkungen auf unsere Lebensbedinungen hat. 1.5 Grad ist die Zahl, die dabei rausgekommen ist, als Wissenschaftler*innen ermittelt haben, was wir dem Planeten bzw. uns zumuten können, wenn wir unsere Lebensgrundlage erhalten möchten. Deshalb können wir auch keinen Kompromiss finden und sagen, vielleicht werden es halt 2.1 oder 2.2 Grad – 1.5 / höchstens 2 ist bereits der Kompromiss.

Lasst uns über Kippunkte reden!

Sogenannte „Tipping Points“ sind ein Aspekt der Klimakrise, der in der Kommunikation unter Nicht-Expert*innen, meiner Meinung nach, vernachlässigt wird. Der Begriff „Klimawandel“ gibt uns das Gefühl, dass es sich dabei um eine lineare Veränderung handelt. Das ist aber nicht der Fall, denn es gibt im Ökosystem Kipppunkte – wenn es hier zu drastischen Klimaveränderungen kommt, beschleunigt das die Erderwärmung und vor allem ist das dann irreversibel. Beispiele sind das Auftauen des Permafrostbodens, das Schmelzen des grönländischen Eisschildes, das Ergrünen der Sahara, das Absterben des Amazonas-Regenwaldes, usw.

Wenn das passiert, kann man das mit der Überlastung des Gesundheitssystems, die in der Corona-Krise medial so präsent war, vergleichen. Wieso – und das sage ich ohne die Dramen, die sich im Kontext der Pandemie abgespielt haben, verharmlosen zu wollen – gibt es keinen Liveticker zum Zustand der Kipppunkte?

Zusammenhänge multipler Krisen

Talking of Corona… ich hätte mir gewünscht, dass in der Kommunikation über die Pandemie deutlicher wird, wie die Klima-, Biodiversitäts- und Corona-Krise zusammenhängen. Noch nie waren die Folgen des Biodiversitätsverlust für uns im globalen Norden so spürbar wie in den letzten 19 Monaten. Corona ist keine Katastrophe, die unerwartet über uns unschuldige Menschen hereinbricht. Covid19 reiht sich ein in eine lange Liste von Zoonosen von Malaria über Ebola bis hin zu HIV. All diese Krankheiten konnten nur von Tier zu Mensch übertragen werden und sich derart schnell verbreiten, weil intakte Ökosysteme durch unser Konsum- und Landnutzungsverhalten zerstört werden. Somit geht es beim Schutz der Biodiversität also nicht nur um glückliche Tiere, sondern letztendlich auch um den Erhalt unseres Gesundheits- und Wirtschaftssystems. Ja, es ist schön, das Gefühl zu haben, die Pandemie sei überwunden und sich über die zurückgewonnene Freiheit zu freuen. Genauso ist es aber auch schade, wenn wir nichts aus den vergangenen Monaten gelernt haben und mit offenen Armen auf die nächste Pandemie zurennen.

Klimaschutz und Freiheit

Der Grund für die Ablehnung von ordnungspolitischen Klimaschutzmaßnahmen ist, so mein Eindruck, häufig die Angst vor Einschränkungen der eigenen Freiheit. Das Paradoxe daran ist, dass nichts uns mehr einschränken wird, als eine eskalierende Klimakrise. Wir reden so viel über die Freiheitseinschränkung durch das „Verbot“ von Kurzstreckenflügen und Verbrennermotoren und so wenig darüber, wie unser Leben aussehen wird, wenn wir irgendwann mittags nicht mehr das Haus verlassen können, weil es zu heiß ist… wenn wir bei der Wettervorschau Angst um unsere Freund*innen an der Küste haben müssen… wenn Pandemien und Lockdowns keine Ausnahme mehr sind. Klimaschutz ist Freiheitsschutz, das hat das Bundesverfassungsgerichtsurteil bestätigt, aber in der Art, wie wir über Klimaschutz reden, rutscht dieser Aspekt leider unter den Tisch.

„Wer soll das eigentlich bezahlen?“

Es war eine der beliebtesten Fragen im Vorfeld der Bundestagswahl: „Klimaschutzmaßnahmen sind ja schön und gut… aber wer soll das eigentlich bezahlen?“ Prinzipiell ist die Frage nicht verwerflich und mit Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Lage sogar verständlich. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist, wieso nicht mindestens genau so viel danach gefragt wird, wer die Kosten einer eskalierenden Klimakrise tragen soll. Natürlich wird eine ökologische Transformation teurer – kein oder halbherziger Klimaschutz wird jedoch um einiges teurer.

Protagonist*innen der Berichterstattung

Wird in den Medien über die Klimakrise berichtet, kommen darin vor allem Politiker*innen, Aktivist*innen, Unternehmer*innen und Wissenschaftler*innen zu Wort. Wenn’s ganz ausgefallen ist, auch mal eine Familienmutter, die über ihr neues Lastenrad berichtet oder ein Student, der beim Containern begleitet wird. Wer meiner Meinung nach aber viel zu wenig vertreten ist, sind Betroffene.

Zugegeben, im Kontext der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW hat sich das etwas verändert, da konnte man in den Medien schon sehen, wie sich die Klimakrise auf das Leben von Menschen auswirken kann. Grundsätzlich würde ich trotzdem bemängeln, dass die sogenannten „most affected people and areas“ (MAPA) zu wenig präsent sind. Dabei könnten sie dabei helfen zu antizipieren, was uns bevorsteht und die Krisenhaftigkeit der Lage zu begreifen.

Klimaaktivist*innen als Zielscheibe

Ein letzter Aspekt der Klimakommunikation, auf den ich gerne verzichten würde, ist das sehr in Mode gekommene Belächeln und Beleidigen von Greta Thunberg. Timothy Coombs – die PRler*innen unter euch kennen ihn – nennt diese Krisenkommunikationsstrategie „attack the accuser.“ Davon wird bei einer derart hohen Krisenverantwortung jedoch abgeraten.

Ich bin nicht mit allem was sie tut und sagt zu 100% einverstanden. Dennoch sollte man anerkennen, wie wichtig sie für die Bewegung ist und wie viel sie ins Rollen gebracht hat. Natürlich ist es nicht angenehm, den Spiegel vorgehalten zu bekommen und zu begreifen, dass die Art und Weise, wie wir aktuell leben, nicht zukunftsfähig ist. Aber vielleicht ist genau das, was wir uns eingestehen sollten: Klimakommunikation muss unangenehm sein, wenn sie wirkungsvoll sein soll.

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