Im Februar 2020 hab ich die Entscheidung getroffen, kein Fast Fashion mehr zu kaufen. Davor hatte ich mich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt, mich im Bereich Mode aber immer schwergetan. Jedes Mal, wenn ich H&M betreten hab, hatte ich dabei ein schlechtes Gefühl – das ganze Konzept hat mich irgendwie angeekelt und ich wusste, dass der Kauf dieser Kleidung für mich moralisch eigentlich nicht vertretbar ist… aber ich hab meine Augen davor verschlossen. Aus Bequemlichkeit. Mit Rechtfertigungen wie „ich kann mir als Student keine faire Mode leisten“, „das sieht mir alles zu öko aus“ oder „man findet doch nirgends in der Stadt Slow Fashion“. Der Moment, in dem es bei mir *Klick* gemacht hat, war als ich in dem Buch „starkes, weiches Herz“ von DariaDaria den Satz „Kann ich eine Feministin sein, wenn ich ein T-Shirt kaufe, das von einer Frau genäht wurde, die keines der Rechte, die ich für mich beanspruche, hat?“ gelesen habe. Mit diesen Worten hat sie mir nichts Neues erzählt, aber sie hat das Thema in eine Perspektive gerückt, die es mir nicht länger erlaubt hat, meine Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Sie hat etwas an die Oberfläche gebracht, was ich unterbewusst längst wusste: Ich möchte diese Industrie und das was dahinter steckt – für die Menschen UND für die Umwelt – nicht unterstützen.
Was ich in dem Jahr gelernt habe …
Es ist nicht schwer. Es ist wirklich nicht schwer. Ja, Corona hat mir dahingehend in die Karten gespielt, weil man weniger neue Kleidung „gebraucht“ hat und man, wenn man fast nie in der Innenstadt ist, auch nicht in Versuchung kommt, etwas zu kaufen. Nichtsdestotrotz habe ich mich in dem Jahr genug mit dem Thema auseinandergesetzt und die ein oder andere Kauferfahrung gesammelt, sodass es Zeit für ein kleines Zwischenfazit ist.
… über Preise
Ich glaube das, was sich in diesem Jahr am meisten verändert hat, ist meine Wahrnehmung von Preisen. „Teuer“ und „günstig“ haben für mich eine völlig neue Definition bekommen. Während ich 50€ für eine Jeans vor einem Jahr schon teuer fand, bin ich heute bereit mehr als das Doppelte dafür hinzulegen – einfach, weil mir bewusst ist, wer dafür bezahlt, wenn ich es nicht tue. Man gewöhnt sich schnell an die neuen „normalen“ Preise, die bestimmte Teile eben haben. Auch insgesamt kann ich wirklich sagen, ich hab nicht mehr Geld ausgegeben als zu meinen Fast-Fashion-Zeiten. Man kauft automatisch weniger, wenn man sich intensiver mit seiner Kleidung auseinandersetzt. Natürlich bin ich in einer privilegierten Lage, den Preis für Fair Fashion zahlen zu können, das ist mir absolut bewusst. Das kann sich natürlich nicht jede*r leisten, aber für viele ist es auch einfach eine Frage der Prioritäten. Durchschnittlich geben deutsche Haushalte im Monat ca. 120 Euro für Kleidung aus (Quelle: Statista) Da wäre bei den meisten rein finanziell aber schon das ein oder andere Fair-Fashion-Teil möglich und wie gesagt: In der Summe gibt man langfristig, meiner Meinung nach, nicht mal unbedingt viel mehr aus.

… über meinen Stil
Ich hatte in diesem Jahr wieder viel mehr Spaß an Mode. Ich konnte wieder mit einem besseren Gefühl in den Spiegel schauen –aus Gewissens- aber auch aus Optik-Gründen. Wenn die einzelnen Teile teuer sind, denkt man viel länger darüber nach, was man kauft und was nicht. Deswegen habe ich auch nur Kleidung gekauft, die ich auch wirklich trage und die ich vielfältig kombinieren kann. Ich hab weniger „Experimente“ gewagt und bin mir dadurch umso mehr bewusst geworden, dass das Minimalistische einfach das ist, worin ich mich wohlfühle. Jeans und schwarzer Rolli – es gibt nichts was ich lieber trage und ich kann mich daran gar nicht satt sehen. Ich fühle mich was Mode angeht mehr angekommen. Ich bin mir sicher, dass ich noch lange Freude an den Teilen haben werde, in die ich dieses Jahr investiert habe. Glaubt mir, dieses Gefühl in einen Kleiderschrank mit einer überschaubaren Menge an Klamotten, die alle Lieblingsteile sind, zu schauen… das ist 100.000 Mal besser als der kurzfristige Rausch, wenn man mit der vollgestopften Tüte die Schildergasse verlässt.

… über Textilien
Ich habe mich dieses Jahr zum ersten Mal so wirklich damit auseinandergesetzt, woraus Kleidung besteht und wie sie hergestellt wird. Ich habe zum ersten Mal bewusst festgestellt, welchen krassen Unterschied es macht, aus welchem Material Oberteile bestehen. Ich habe mich mit Gütesiegeln auseinandergesetzt und auch mit den Philosophien hinter den Brands, deren Produkte ich kaufe. Auf Fast Fashion zu verzichten hat für mich auch bedeutet, mich intensiver mit meiner Kleidung auseinanderzusetzen – das war zum einen total lehrreich und zum anderen auch irgendwie schön, weil mein Konsum dadurch achtsamer und wertschätzender geworden ist.
… über Nachhaltigkeit
Dadurch, dass ich meinen Konsum im Bereich Mode radikal verändert habe, habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, beim Thema Nachhaltigkeit sein „Herzensunterthema“ zu finden. „Nachhaltiger leben“ ist so eine Mammutaufgabe und kann so überfordernd und demotivierend sein, weil man eben nicht von heute auf morgen (und eigentlich nie) alles perfekt machen kann. Mir hat es total gutgetan, in der Mode einen Aspekt gefunden zu haben, wo ich anfangen kann. Ich weiß nicht, wie’s euch geht, aber ich brauche Erfolgserlebnisse als Motivation – und die hatte ich hier: Ich hab mich durch meine Bachelorarbeit theoretisch tief eingearbeitet und hab auch in meinem eigenen Konsumverhalten (quantitativ und qualitativ) einiges besser gemacht als in den vergangenen Jahren.
… und das ohne, dass es mir auch nur eine Sekunde schwergefallen ist. Das hat mich nochmal darin bestätigt, dass es diesen „Klick-Moment“ braucht, damit ich etwas langfristig durchziehen kann. Ich lebe nicht zero waste und auch nicht vegan – obwohl mir unterbewusst klar ist, dass das das Richtige wäre. Einfach, weil es noch nicht diesen Moment gab, indem mir alle Gegenargumente plötzlich egal waren und alles in mir drin geschrien hat, „ich muss das jetzt ändern“ – und das ist okay. Ich bin der Meinung, dass radikale Entscheidungen auf Druck nie der richtige Weg sind und wir den Prozess nach unserem Tempo gestalten sollten. Alles andere, dieses Schwarz oder Weiß, dieses Öko oder Umweltsau schreckt Menschen nur davon ab, sich überhaupt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Dieser Punkt war mir zum Ende dieses Beitrags noch wichtig – ich möchte nämlich nicht, dass irgendjemand das liest und sich schlecht fühlt, wenn er*sie bei noch bei Zara, Primark, Nike, Gucci oder wo auch immer einkauft. Das Problem sind nicht die Konsument*innen, die ihre Kleidung bei Fast-Fashion-Ketten kaufen – das Problem ist das System, das es erlaubt, dass Unternehmen Menschen und diesen Planeten für ihren Profit ausbeuten. Für mich ist mein Einkaufszettel mein Wahlzettel. Ich möchte Unternehmen unterstützen, die es besser machen und der Politik zeigen, dass wir Veränderung brauchen. Aber wir sollten aufhören strukturelle Missstände auf individuelle Kaufentscheidungen herunterzubrechen und gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen.
Und mit diesem Wort zum Sonntag beende ich dieses Fazit zu meiner Fair-Fashion-Journey. Es war aber nur ein Zwischenfazit, denn die Reise geht weiter und ich werde berichten. Für 2021 steht „Capsule Wardrobe“ auf meinem Plan – also ein sehr reduzierter Kleiderschrank, in dem sich nur Teile befinden, die alle miteinander kombiniert werden können… das wär‘ schon ein Träumchen.
Schreibt mir gerne eure Erfahrung mit nachhaltiger Mode in die Kommentare!:)
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