Erst wollte ich diesen Post „Mein verspäteter Beitrag zur BLM-Bewegung“ nennen, habe mich dann aber dagegen entschieden, weil er nicht verspätet ist – auch wenn der Tod von George Floyd mittlerweile über 4 Monate her ist, ist das Thema brandaktuell.
Es ist Samstag der 6. Juni 23 Uhr abends, wenige Tage nach dem #blackouttuesday – an dem ich kein schwarzes Bild gepostet habe. Ich sitze auf meinem Bett, es ist dunkel, nur das grelle Licht, welches durch die weiße WordPress-Seite entsteht, strahlt mich an – ich habe das Bedürfnis zu schreiben. Also tippe ich vor mich hin …
„Ich liebe soziale Medien dafür, dass sie jedem eine Stimme geben. Ich bin dankbar für die Möglichkeit meine Meinung im Netz frei zu äußern und schätze die Bewegungen, die dadurch entstehen sehr. Und trotzdem habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen still zugesehen statt diese Stimme zu nutzen. Es hätte sich für mich irgendwie falsch angefühlt etwas zum Thema Rassismus im Allgemeinen und zur Ermordung von George Floyd im Speziellen zu posten. Nicht, weil mir dieses Thema nicht am Herzen liegt und es mich nicht schockiert, was an dem Tag in den USA bzw. täglich auf der ganzen Welt passiert. Sondern, weil mich die Geschehnisse auf unerklärliche Art und Weise sprachlos zurückgelassen haben.
Ich habe mich anfangs gefragt, was denn falsch mit mir sei, dass ich nicht – wie gefühlt der Rest der Welt – das Bedürfnis habe, öffentlich um diesem Mann zu trauern und mich gegen Rassismus stark zu machen. Ich stellte aber irgendwann fest, das das nichts mit mangelnder Empathie zu tun hatte. Vielmehr hatte ich das Gefühl, nicht das Recht zu haben, mich dazu zu äußern. Ich lebe als Weiße zwischen Weißen und das schon immer. Ich habe nicht die geringste Ahnung wie es sich anfühlt, wegen seiner Hautfarbe benachteiligt, diskriminiert und bedroht zu werden. Ich wollte diejenigen zu Wort kommen lassen, die hierzu was zu sagen haben. Es wäre mir heuchlerisch vorgekommen, mich plötzlich – jetzt wo alle es tun – gegen Rassismus auszusprechen, obwohl ich es davor nie explizit getan hatte. Ich habe am Dienstag lange hin und her überlegt, weil ich mich mit jedem Post meiner Freunde schlechter gefühlt habe, nicht Teil dieser Bewegung zu sein, obwohl ich von meiner Grundeinstellung her zu 1000% hinter all dem stehe. Ich habe mich schlussendlich dagegen entschieden und kann bis heute nicht wirklich benennen, was der Grund dafür war. Alles in mir hat sich dagegen gewehrt. Ich wollte mich erstmal persönlich mit dem Thema auseinandersetzen, die Eindrücke, die ich über das Internet gesammelt hatte, sacken lassen und mich dann dazu äußern, wenn ich das Gefühl hatte, etwas sinnvolles zu dem Thema beitragen zu können.
Das soll in keinster Weise ein Angriff an diejenigen sein, die Beiträge zu dem Thema veröffentlicht haben – solange das aus intrinsischer Motivation heraus passiert, nicht vom Gruppenzwang geleitet wird und es nach dem Social-Media-Post nicht gleich wieder vergessen ist, habe ich daran nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil – ich fand es super schön zu sehen, wie viele Menschen plötzlich an einem Strang gezogen und sich gemeinsam für die Black Community stark gemacht haben. Ich habe wunderschöne Texte gelesen und Illustrationen gesehen sowie interessante persönliche Geschichten gehört. Ich schätze den konstruktiven Austausch und den Zusammenhalt, der in den letzten Tagen in den sozialen Medien stattgefunden hat. Ich möchte aber auch betonen, dass es okay ist, nichts zu sagen zu haben, sondern einfach mal zuzuhören. Social Media vermittelt manchmal den Eindruck, man müsse an jeder Bewegung aktiv teilnehmen und zu allem seinen Senf dazugeben. Das kann man machen, muss man aber nicht. Die Einen haben in solchen Situationen das Bedürfnis proaktiv etwas zu unternehmen, während bei anderen erstmal alles nur im Kopf stattfindet. Es gibt kein Richtig und kein Falsch, solange man sich in irgendeiner Form mit solch relevanten gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzt.
Ich hoffe das hier ist kein Hype und wenn, dann einer, der niemals endet. Diese Schnelllebigkeit, die Social Media mitsichbringt, lässt Themen häufig dann auch ganz schnell wieder in Vergessenheit raten. Nach dem Anschlag von Hanau, haben sich alle gegen Rechtsextremismus ausgesprochen – das ist jetzt schon wieder in den Hintergrund geraten. Genauso die Systemrelevanten Berufe, die zu Beginn der Corona-Kriste bejubelt wurden. Lasst uns dieses Rassismus-Kritische Denken beibehalten. Wenn in ein paar Wochen wieder alles ist „wie zuvor“, war jeder #blacklivesmatter-Post, jede unterschriebene Petition und jedes Demo-Plakat umsonst. Mindestens genauso wichtig, wie das was man in solchen Situationen verbal äußert, ist sind die Veränderungen des eigenen alltäglichen Handelns.“
Damals reichte mir das Schreiben, um meine Gedanken zu ordnen. Eine Veröffentlichung fühlte sich in dem Moment aus den genannten Gründen nicht richtig an. Heute tut sie es – denn zu diesem Zeitpunkt habe ich die Hoffnung, damit das Thema in den Köpfen derjenigen, die das lesen, vielleicht wieder hochholen zu können.
In dieser Debatte finde ich es als Weiße aber immer noch am wichtigsten, denjenigen zuzuhören, die wissen, wie sich Rassismus anfühlt. Aus diesem Grund möchte ich hier nochmal, genau wie ich es in meinem einzigen Instagram-Post zu dem Thema getan habe, das Buch „exit racism“ von Tupoka Ogette empfehlen – das hilft unglaublich dabei, ein Gespür für Alltagsrassismus zu entwickeln. Außerdem kann ich mein Lieblingsbuch des Jahres „Sprache und Sein“ von Kübra Gümüsay sehr empfehlen– hier wird dargestellt inwiefern unser täglicher Sprachgebraucht rassistisch oder sexistisch sein kann.
Wenn ihr weitere Empfehlungen bezüglich Büchern, Podcasts, Dokumentationen oder Sonstigem zu dem Thema habt, schreibt sie gerne in die Kommentare. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Bewegung nicht zum Stillstand kommt!
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