Das ganze Thema „Selbstoptimierung“ hat in den vergangenen Monaten und vielleicht sogar Jahren auf Social Media angefangen eine immer größere Rolle zu spielen. Ich finde es toll, dass sich immer mehr Blogger mit Themen wie Nachhaltigkeit, Selbstfindung und Life long Learning oder Ähnlichem auseinandersetzten und ihre Gedanken und Erfahrungen mit ihrer Community teilen – denn auch wenn der Begriff „Influencer“ immer wieder belächelt wird, tun sie das im Endeffekt: sie beeinflussen. Allerdings, beobachte ich immer wieder, dass die, die sich die meiste Mühe geben auch oft auf die meiste Kritik stoßen.
Wenn eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, beispielsweise einmal erwähnt, dass sie sich vornimmt, sich in Zukunft pflanzlich zu ernähren, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder läuft ihr die Vegan-Polizei hinterher und verlangt, dass sie ihren Hund doch dann auch rein pflanzliches Futter geben sollte und dass sie dann auch keine Lebensmittel von Unternehmen kaufen darf, die neben den veganen auch tierische Produkte verkaufen… oder sie bekommt von Leuten vorgeworfen, dass für Soja-Produkte der Regenwald abgeholzt wird und Avokado riesige Mengen an Wasser verbraucht. Bei dem Thema Nachhaltigkeit ist es aus meiner Sicht am extremsten. Sobald jemand anspricht, dass er angefangen hat, sich damit zu beschäftigen, wird jede Situation ausgenutzt um mit dem Finger auf denjenigen zu zeigen. Plötzlich reichen eine Reise mit dem Flugzeug, ein in Plastik eingepackter Schokoriegel oder eine Primark-Tüte im Hintergrund, um eine Welle an negativen Kommentaren auszulösen. Wo sind die Leute, die wertschätzen, dass diese Person ein Bewusstsein für einen nachhaltigeren Lebensstil schafft – auch wenn sie dabei nicht von jetzt auf gleich alles perfekt macht?
Das Paradoxe daran ist, dass die Blogger, die sich ausschließlich mit oberflächlichen Themen auf ihren Kanälen beschäftigen wesentlich weniger mit solchen Vorwürfen konfrontiert werden. Wenn man nie das Thema Produktivität und Organisation angesprochen hat, ist es kein Problem, wenn man jeden Tag bis 14 Uhr schläft, seinen Uploadplan nicht einhält und nie Kommentare oder Nachrichten beantwortet. Wenn man das Thema Nachhaltigkeit nie angesprochen hat, ist es kein Problem, wenn man jede Woche einen Fast-Fashion-Haul hochlädt, jeden Tag bei McDonalds isst und bereits geschälte, in Plastik verpackte Mandarinen kauft. Wäre es nicht sinnvoller diejenigen, die sich keine Gedanken darum machen, wie sie ihr Leben gestalten und wie sie andere beeinflussen, darauf hinzuweisen, was sie falsch machen, anstatt die, die bewusst daran arbeiten die beste Version von sich selbst zu sein und ihre Reichweite sinnvoll zu nutzen?
Eigentlich stehe ich voll und ganz hinter dem Motto „leben und leben lassen“ und bin der Meinung, dass man generell nicht das Recht hat, Leuten vorzuschreiben, was sie tun sollen, sondern man seine Zeit eher nutzen sollte, um sich selbst zu hinterfragen. Es ist nicht die Aufgabe der Follower, Influencer darauf hinzuweisen, was sie falsch machen. Ich rede hier nicht von konstruktiver Kritik oder Tipps, wie man Dinge besser machen kann – ich rede von Vorwürfen. Viele sehen die Tatsache, dass jemand sein Leben mit einem großen Publikum teilt als Einladung, sich in dieses Leben einzumischen – immer mit dem Argument „du stehst in der Öffentlichkeit, du musst damit klar kommen.“ Mir tut das sowohl für die Influencer, die täglich mit sowas konfrontiert werden, leid, als auch für die Leute die ihre Zeit damit verschwenden. Wieso ist es so typisch Mensch, bei anderen nach Fehlern zu suchen und seine eigenen zu ignorieren?
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