Vor einigen Monaten habe ich bereits einen Beitrag zum Thema Artikel 13 veröffentlicht – hier geht es darum, was dieser beinhaltet und wieso er das Internet, so wie wir es heute kennen, komplett verändern wird. Knapp vier Monate später steht die finale Abstimmung im EU-Parlament kurz bevor, und trotzdem scheinen viele noch immer nicht so genau zu wissen, worum es bei dieser Urheberrechtsreform geht. Aus diesem Grund, habe ich mir überlegt die Ergebnisse meiner Recherche hier mit euch zu teilen.
Das Ziel
Ziel von Artikel 13 ist es, Urheber (von allen möglichen Arten von Inhalten) zu schützen, indem dafür gesorgt wird, dass ihre Inhalte nicht illegal im Internet verbreitet werden.
Die bisherige Handhabung von Urheberrechtsverletzungen im Internet
Wenn bislang urheberrechtlich geschützte Inhalte auf irgendeiner Online-Plattform vom Urheber entdeckt wurden, wurde der Betreiber darüber informiert und konnte die Daten der Person, die das hochgeladen hat, rausgeben – derjenige wurde gegebenenfalls dafür bestraft und die Inhalte wurden von der Seite gelöscht. Bei Youtube ist es sogar so, dass die Monetarisierung des Videos vom Urheber, im Falle eines illegalen Gebrauchs seiner Inhalte, übernommen werden kann.
Das Problem liegt hierbei darin, dass es für die Urheber quasi unmöglich ist, das komplette Internet nach ihren Inhalten zu durchforsten. Vereinzelt werden hierfür sogenannte „Crawler“ eingesetzt, die dafür verantwortlich sind, solche Inhalte zu finden – aber für die meisten kleineren Urheber ist dieser Aufwand nicht möglich. So kommt es im Internet immer wieder zu Urheberrechtsverletzungen, die nicht entdeckt und dementsprechend nicht bestraft werden.
Wie Artikel 13 dieses Problem behoben soll
Damit Urheberrechtsverletzungen künftig verhindert werden, soll Druck auf die Seiteninhaber ausgeübt werden. Nach dem in Kraft Treten von Artikel 13 werden nämlich nicht mehr die jeweiligen Nutzer, die etwas illegal hochgeladen haben, dafür zur Rechenschaft gezogen, sondern die Plattformen, auf denen die Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat. Es gibt zwei Bedingungen, die man als Seitenbetreiber erfüllen muss, um aus der Haftung wieder raus zu kommen:
- Seitenbetreiber haben die Pflicht mit allen Rechteinhabern Lizenzvereinbarungen zu führen und Genehmigung von ihnen einholen. Vorher darf nichts hochgeladen werden.
- Es muss Blaupausendatenbanken (quasi eine Sammlung originaler Inhalte von Urhebern) geben, mit denen abgeglichen werden kann, was auf einer Plattform hochgeladen wird – so sollen Urheberrechtsverletzungen erkannt werden.
Artikel 9: globale Verwertungsgesellschaften
Schon bei der ersten Bedingung wird klar, dass dies sich in der Praxis nur schwer umsetzen lassen wird – wie soll ein Seitenbetreiber sich von allen existierenden Urhebern Lizenzen einholen? Hierfür könnte der Artikel 9 eine Lösung bieten. Es soll möglicherweise globale Verwertungsgesellschaften geben, die die Rechte aller Urheber versammeln – man müsste in dem Fall nur mit diesen Verwertungsgesellschaften verhandeln und gegebenenfalls etwas an die zahlen.
Es macht vielleicht bei größeren Plattformen, die mit urheberrechtlich geschützten Inhalten Geld verdienen, wie zum Beispiel Youtube, Sinn, dass diese einen Teil ihres Gewinns an die jeweiligen Urheber abgeben – wobei man sich dann auch fragt, ab wann jemand als Urheber zählt. Bei kleineren Contentsharingplattformen (wo bspw. Fotografen ihre Bilder kostenlos zur Verfügung stellen) macht das aber wenig Sinn, weil hier quasi zu 99% Fotos von Urhebern hochgeladen werden, die sich dessen bewusst sind und das wollen. Gerade im kreativen Bereich ist sowas total wichtig: dass ihre Werke gesehen werden ist der „Lohn“ für die Creator – wieso sollten die Seiteninhaber also dafür „bestraft“ werden?!
Uploadfilter
Hinter der Umsetzung der zweiten Bedingung verbergen sich die berühmt berüchtigten Uploadfilter. Laut Politikern, hauptsächlich der CDU soll es zwar keine Uploadfilter geben, sondern nur „Erkennungssoftware“ oder die Seitenbetreiber müssten den Upload von urheberrechtswidrigen Inhalten „irgendwie anders“ verhindern. Christian Solmecke, Fachanwalt für Medienrecht, sagt dazu, dass diese Aussage damit gleichzusetzen ist, wenn man jemandem sagen würde „kommt in 8 Stunden von Frankfurt nach New York – ihr müsst aber nicht mit dem Flugzeug fliegen.“ Seiteninhaber müssten, wenn Artikel 13 in Kraft tritt, Uploadfilter installieren, um zu verhindern, dass sie aufgrund von Inhalten, die User bei ihnen hochladen, angeklagt werden.
Damit Uploadfilter funktionieren, müssten alle Inhalte, von denen die Besitzer nicht wollen, dass sie illegal veröffentlicht werden, vorher von Urhebern als Blaupause hochgeladen werden, damit der Filter erkennt, dass es sich hierbei um geschützten Content handelt, wenn jemand anderes versucht das Gleiche nochmal hochzuladen.
Probleme:
- Als Seiteninhaber kann man, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte erkannt werden, diese aber nicht einfach blocken, da ansonsten die Gefahr besteht, dass etwas fälschlicherweise gelöscht wird, denn Filter unterscheiden nicht zwischen Urheberrechtsverstoß und zum Beispiel Zitaten. In dem Fall muss also ein Mensch kommen, der kontrolliert, ob das zurecht geblockt wurde – ein Aufwand, der gerade für kleine, unkommerzielle Plattformen, nicht realisierbar ist.
- Woher soll man als (kleine) Plattform wissen, ob der angebliche Urheber auch der tatsächliche Urheber ist? Theoretisch könnte jeder sich als Urheber ausgeben und Blaupausen von Inhalten, die ihm angeblich gehören, in den Filter hochladen.
- Darüber hinaus ist es für die Urheber schwierig, große Mengen an Blaupausen in die Filter verschiedener Plattformen hochzuladen und zweitens Bedarf dieser Filter der eine Menge an Daten beinhaltet einen enormen Speicherplatz seitens des Seitenbetreibers.
- Es gäbe vielleicht die Möglichkeit EU-weiter Uploadfilter, damit die Urheber nicht in mehreren Filtern ihre Inhalte hochladen müssten und insgesamt weniger Speicherplatz gebraucht werden würde. Allerdings besteht da weiterhin die Frage, wer in einem solchen Filter seine originalen Inhalte hochladen soll, denn im Grunde ist ja jeder, sobald er ein Handyfoto schießt, Urheber.
- Auch der Matchingprozess zwischen einem Inhalt der hochgeladen wird und der bestehenden Blaupausendatenbank, wird sich problematisch gestalten. Die Filter müssten auch erkennen, wenn nur ein Teil oder eine leicht abgewandelte Form eines Inhalts hochgeladen wird. Solche Filter gibt es zwar, sie sind aber sehr teuer – also für kleine Plattformen, wie beispielsweise Diskussionsforen, ebenfalls undenkbar.
Meine Meinung
Auf Seiten wie Youtube, Facebook oder Twitter kommt es immer wieder zu Urheberrechtsverletzungen, weshalb die Idee, dass diese Unternehmen den Urhebern einen Teil ihrer Millionengewinne abgeben sollen, absolut unterstützenswert ist – aber Artikel 13 ist nicht der richtige Weg. Zum einen ist es viel zu unklar, wie das Ganze in der Umsetzung aussehen soll und teilweise auch nicht machbar – gerade für kleine Plattformen. Letztere werden bei dieser Urheberrechtsreform als große Verlierer rausgehen. Zum andern kann man es drehen und wenden wie man will, aber wenn Artikel 13 in Kraft tritt, wird es überall im Internet Uploadfilter geben müssen. Diese werden nicht nur tatsächliche Urheberrechtsverletzungen blocken, sondern auch den Upload von Inhalten, der niemanden gestört hätte, verhindern. Wenn es keine Diskussionsforen oder Ähnliches mehr geben kann und alles, was online gepostet wird, erstmal gefiltert wird, ist das meiner Meinung nach ein Eingriff in die Meinungsfreiheit, ein Schritt zurück ins Jahr 1990 und ein Nachteil für die EU gegenüber anderer Länder. Das alles nur, weil Leute über ein Gesetz abstimmen, die keine Ahnung über dessen Folgen haben – die nicht verstehen wie das Internet funktioniert und seine gesellschaftliche Bedeutung nicht erkennen. #SaveyourInternet, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob hier noch was zu retten ist, aber wir sollten es versuchen. Am Samstag, den 23. März, finden europaweit Demonstrationen gegen Artikel 13 statt – bitte informiert euch, und wenn ihr nicht einverstanden seid, dann nutzt eure Stimme! ❤
Meine Quellen:
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